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Anna Essinger und das Landschulheim Herrlingen

 

Am 15. September 1879 wurde Anna Essinger als Erstes von 10 Kindern des Ehepaares Leopold und Fanny Essinger in Ulm geboren.
Anna besucht dort die Schule und übernimmt wegen der häufigen Schwangerschaften ihrer Mutter oft die Fürsorge für ihre jüngeren Geschwister.
1899 kommt Regina, die älteste Schwester von Leopold, zu Besuch aus den USA. Sie macht Anna das Angebot, mit ihr nach Amerika zu kommen.
Anna hat die Schule beendet und geht mit, um bei ihrer kinderlosen Tante zu wohnen.
Doch dort entschließt sie sich in Madison/Wisconsin zu studieren und nicht bei ihrer Tante zu bleiben. Um ihr Studium zu finanzieren, arbeitet sie als Tutorin und gibt für 3. bis 5. semestrige Studenten deutsche Sprach-, Konversations- und Literaturkurse.
1917 schließt sie die Universität mit dem Magisterexamen ab und lehrt dort selbst.
Als die Vereinigte Staaten in den 1.Weltkrieg eintreten, leitet sie als Hausmutter ein Studentinnenwohnheim, damit die deutschen Studenten in der USA weiterstudieren dürfen. Auch hat sie in dieser Zeit Kontakt zu den Quäkern.
1919, mit 40 Jahren, kehrt sie mit einem der ersten Quäkertransporte nach Süddeutschland zurück, hilft bei der Kinderspeisung, vermittelt zwischen den Unterstützerteams und den Regierungen von Baden, Württemberg und Bayern.
Nach Abschluss dieser Aufgabe 1923 arbeitet sie für einige Jahre bei einer Gewerkschaft, um in der Umgebung Stuttgarts Fortbildungsmöglichkeiten für Arbeiterinnen zu schaffen.
Danach sucht sie ein neues Wirkungsfeld.
Zusammen mit ihren Geschwistern gründet sie Ostern 1926 das Landschulheim Herrlingen und übernimmt die wirtschaftliche und organisatorische Leitung, später auch die Schulleitung.

1. April 33: „ Als Hitler in Deutschland die Macht übernahm, glaubten viele Leute, dass diese Art von Regime nicht lange währen könne. Im Dorf besaßen wir viele Freunde, aber alles was in Deutschland an diesem Tag geschah fand selbst in diesem abgeschiedenen Ort seinen Widerhall“ berichtet Anna Essinger rückblickend. „Mir schien Deutschland nicht länger mehr ein Ort zu sein, an dem man Kinder in Ehrlichkeit und Freiheit großziehen konnte und ich beschloss, für unsere Schule eine neue Heimat zu finden.“ Annas mutiger und weitsichtiger Entschluss fällt schon früh. Sie erkennt wie ganz wenige Pädagogen frühzeitig die Gefahr der Rassenideologie des Nationalsozialismus und handelt schnell und umsichtig. Im Gegensatz zu vielen anderen. Sie erfasst mit klarem Blick, dass die Forderungen eines von Rassentheorie diktierten Lehrplans, die notwendigen Voraussetzungen und Grundlagen ihrer liberalen erzieherischen und humanistischen Zielsetzung verhindern musste.
Nach langen Überlegungen ist England das Land ihrer Wahl, dorthin wolle sie auswandern.
Im September 1933 gehen 6 Schüler und 6 Lehrer nach England um das dort gefundene Haus herzurichten. Ein Komitee sammelte Geld um Betten, Möbel usw. kaufen zu können. Die Kinder werden in der Zwischenzeit in die Ferien geschickt, ohne zu wissen, dass sie nie mehr ins Landschulheim Herrlingen zurückkehren werden.
Am 5.10. 1933 eröffnet Anna Essinger nun mit Hilfe ihrer Quäkerfreunde die „New-Herrlingen-School“, Bunce Court in Südengland. Der Unterricht beginnt sofort und Ostern 34 konnten die ersten Schüler ihren englischen Abschluß mit Erfolg machen.
Mit den Jahren 1938 und 39 änderte sich das Leben in Bunce Court wegen der Situation in Europa. Anna wird gebeten bei der Ankunft der Kindertransport-Kinder aus Deutschland zu helfen.
Eine weitere sehr schwierige Aufgabe kommt auf Bunce Court zu, als Kinder aus den KZ’s zu ihnen kommen.
1946 setzt sich Anna in Bunce Court zur Ruhe. Für zwei Jahre ist noch ein Schulleiter eingesetzt, doch 1948 wird die Schule geschlossen.
Die offizielle Schließung erfolgte am 28. Juli 1948. Ca. 900 Kinder aus Deutschland, Österreich, der Tschechoslowakei, Polen und England haben die Schule während ihres 22 jährigen Bestehens seit 1926 in Herrlingen besucht.
1950 verbrachte Anna mehrere Wochen bei ihrer Familie in Israel.
1959 zu ihrem 80. Geburtstag gibt es ein großes Fest mit vielen Gästen. Ihre Begeisterung für den Staat Israel war mit ein Grund für das Geschenk ihrer ehemaligen Schüler zu diesem Ehrentag. Als ein Zeichen ihrer Dankbarkeit pflanzten sie ihr ein Wäldchen mit 241 Bäumen, das den Namen Anna Essinger trägt.

Am 30. Mai 1960 stirbt sie und wird am 2. Juni eingeäschert.