haus unterm regenbogen

. . . rückblick

 

 

20 Jahre Haus Unterm Regenbogen“

 

Liebe Freundinnen, liebe Freunde!

 

„Es geht heute offenbar
nicht mehr drum
herauszufinden was zu
tun wäre, es geht darum
zu tun, was längst als
nötig und richtig
erkannt wurde.“
Erhard Eppler

Das Zitat von Erhard Eppler ist über 20 Jahre alt. Ist es veraltet, überholt? Ging es nur damals, 1985, darum das Nötige und Richtige zu tun oder bleibt das die Herausforderung, Aufgabe auch für heute, für das Jahr 2005?
Das Zitat ziert, handgeschrieben von Edith Nörling-Schwarz, die Einladung zur Eröffnung des „Haus Unterm Regenbogen“ am 1. Mai 1985. Der Einladungstext bereits kopiert (!) und nicht auf Spiritmatritze abgezogen:

 

EINLADUNG

In Eigenleistung bauten die Mitglieder des noch jungen „Vereins zur Förderung der Partnerschaft mit den Völkern der 3. Welt“ die Räume eines ehemaligen Bäderhauses zu einem interessanten Treffpunkt aus.
Am Mittwoch, den 1. Mai um 15 Uhr werden die Räume in Blaustein Herrlingen, Rommelsteige 50 (ehemaliges Müttergenesungsheim) mit einem bunten Programm eröffnet.
Dazu möchten wir Sie herzlich einladen.

PROGRAMM

15 Uhr Eröffnung mit Kaffee und Kuchen
Spiele für Kinder
Märchenstunde mit Frau Mergenthaler
Spiele aus der 3. Welt

18 Uhr kleine Ansprachen
danach Essen, nach Rezepten aus dem 3. Welt-Kochbuch

Ausklang mit gemeinsamen
Liedersingen und gemütlichem
Zusammensein



Die Einladung mit Schreibmaschine und entsprechenden Fehlern getippt, von PC’s noch keine Spur. Der Ort hatte noch keinen neuen Namen (erst am 1.5.85 wurde das „Bäderhaus“ zum Haus Unterm Regenbogen). Das Selbstbewusstsein war groß: „..zu einem interessanten Treffpunkt...“ wurden die Räumlichkeiten erst in den nächsten 20 Jahren. Kein Hinweis auf die Geschichte des Ortes, das Landschulheim, das jüdische Landschulheim, das jüdische (Zwangs-) Altersheim. Das Programm schon wegweisend: Kaffee, Kuchen, Märchen, Spiele, Essen und Musik, gemeinsames Singen.
Und an diesem Ort, mit diesen Menschen sollte getan werden, was längst als nötig und richtig erkannt wurde?
Heute, 20 Jahre später, können wir stolz sagen: ja, es wurde und wird getan!
Was mit einem „bunten Programm“ am 1. Mai 1985 begann, wurde zu einem entwicklungspolitisch und gedenkstättenpädagogisch einmaligen Ort und Verein.


Gegründet von Mitgliedern der Friedensinitiative Blaustein, die ihre Motive in einem ersten Artikel in den „Blausteiner Nachrichten“ so beschrieben:
„Nach vielen intensiven Diskussionen über die ganze Problematik: 3. Welt – Friedenssicherung – Umweltzerstörung und anderer drängender Zeitprobleme war es uns klar, daß der Schritt in die Praxis notwendig ist. Wir haben nur diese eine Welt und jeder trägt ein Stück Verantwortung dafür, daß sie nicht zugrunde gerichtet wird.
--Und: Wer den Kopf in den Sand steckt, knirscht bald mit den Zähnen.“
So wurde aus friedenspolitisch Enttäuschten, die Nachrüstung war erfolgt, Globalisierungskritiker, obwohl das Wort noch lange nicht erfunden war. Der Dreiklang von Frieden – Umwelt – Dritte Welt wurde ergänzt durch den Aspekt und die Aufgabe der Erinnerung, denn das Gelände von Bäderhaus/Müttergenesungsheim der AWO (und anderer Gebäude in Herrlingen) entpuppte sich als einmaliges pädagogisches Experiment der Jahre 1926 – 1939 von Anna Essinger und Hugo Rosenthal und als grausamer Ort der Zwangsinternierung von alten Menschen, die noch 1944/1945 in KZ’s und Gaskammer von Herrlingen aus transportiert wurden.

Dritte Welt und Erinnerungsarbeit. Geht das zusammen? Es ging und geht noch heute. Das Verbindende war und ist das Thema Gerechtigkeit.
Immer und in allem ging und geht es darum herauszufinden, was die Wurzeln des Unrechts in Bezug auf Umwelt, Dritte Welt, kriegerischen Konflikten und der unmenschlichen Vernichtungspolitik der Nazidiktatur sind.
Immer und in allem geht es dabei um uns und unser Verhalten.
Vor 20 Jahren klang das in den „Blausteiner Nachrichten“ so:
„In den Räumen wird es einerseits ständig ein Angebot an Produkten und Informationen aus der 3. Welt geben, andererseits soll in praxisbezogenen Kursen, Ausstellungen, offenen Gesprächen unser eigenes Verhalten hinterfragt und unser politisches Bewußtsein gestärkt werden.“
Es ging und geht also noch immer darum, nicht mit dem Finger auf Andere zu zeigen, sondern das eigene Verhalten zu hinterfragen, unser eigenes Leben, Wirtschaften, politische Handeln danach zu befragen, was es mit den zerstörerischen Kräften bei uns und in der Welt zu tun hat.

(Selbst-)Kritisches Bewußtsein, politisches Engagement und Lebensfreude schliessen sich nicht aus. Geschichte, Ort und Programm des „Haus Unterm Regenbogen“ zeigen dies seit 20 Jahren.

Karl Giebeler

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