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„35 Jahre Haus Unterm Regenbogen 1985 – 2020“
Eine kleine Chronik
1. Die Gründung und der Anfang
- am 12. April 1985 fand die Gründungsversammlung statt, an der 11 Personen beteiligt waren – „Verein zur Förderung der Partnerschaft mit den Völkern der III. Welt e.V.“,
später: „Verein zur Förderung der Partnerschaft mit den Völkern der Einen Welt e.V.“, heute: „Haus Unterm Regenbogen – Verein Eine Welt & Erinnerungsarbeit Herrlingen e.V.“
- am 1. Mai 1985 fand ein Eröffnungsfest im ehemaligen „Bäderhaus“ statt. Eine Besucherwahl zum Namen des Hauses ergab den hoffnungsvollen Titel „Haus Unterm Regenbogen“
- die erste Veranstaltung war eine Ausstellung: „Visuelle Lyrik“ mit Fotos von Gabor Geyer und Gedichten von Ulla Schumann. „Gemästete Schweine-Verhungerte Menschen“
war das Thema am 12. Juni 1985 mit dem Entwicklungshelfer Hermann Weiss. Es folgten ein Tangokurs und der erste Kontakt zu Lothar Heusohn, der einen Vortrag hielt zu: „Nicaragua nach dem Embargo“ (19. Juni 1985)
- ergänzt wurde die Programmarbeit durch Kinderfilmnachmittage und Kreativkurse.
2. Von „Mütter wehrt euch!“ zu „Frauen wehrt euch!“
- am Muttertag, Mai 1987, fand eine sog. Muttertagsblockade vor dem Pershing II-Depot in Mutlangen statt, an der 50 Mütter aus dem Alb-Donau-Kreis teilnahmen (und 2 Väter), die auch das Manöver „Carbon
Blazer“ im Wald bei Seissen störten
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Selbstbeschreibung: „Wir sind eine Gruppe verschiedenster Frauen, die dem miserablen Zustand der Welt nicht duldend und klagend zuschauen
will, sondern nach Kräften versucht mitzumischen.“ Und wie? „Wir haben kein Geld und keine Macht, aber wir haben Phantasie, unsere Utopien von einer besseren Welt, wir haben unsere Stimme, unseren Körper
und mit all dem kann man schon ganz schön viel anfangen. Und: Wir haben UNS!“
- der Name ändert sich in „Frauen wehrt euch!“, der Kern sind die Herrlinger Frauen des „Haus Unterm Regenbogen“ (SWP 27.5.1989) um Edith Schwarz, Ingrid Stadler, Irmtraut Giebeler,
Dorit Heim oder Rita Sedding – Frauen mit viel Phantasie und Engagement, einem Körper, mit Stimmen und Trommeln, die nicht zu übersehen und zu überhören waren und sind
- Erarbeitung einer „Frauenrevue“ (Sketche für Frauen und Männer mit Humor und Verstand) und Premiere am 30.11.1988 in der Stadthalle Blaubeuren (mit Beifall auch“ für
zwei Machos“ / SWP 2.12.88), Proteste gegen den Golfkrieg in der Hirschstraße in Ulm, Beteiligung am Antikriegstag am 1.9.1989 und die Ausstellung „Der alltägliche Krieg“ im „Haus Unterm
Regenbogen“ sind wichtige, viel beachtete und erfolgreiche Aktionen der Gruppe
- die Planung und der Bau einer Müllverbrennungsanlage im Donautal ruft die Gruppe wieder auf den Plan im April/Mai 1990. Ein Infoabend im „Regenbogen“ und ein Theaterstück „Einfälle
statt Abfälle“ auf dem Blausteiner Wochenmarkt schaffen Öffentlichkeit für das Thema
- mit einer Mahnwache auf dem Blausteiner Wochenmarkt im Januar 1991 gegen den Golfkrieg macht die Gruppe wieder auf sich und ein brennendes Problem aufmerksam
- im Herrlinger „Rößle“ treffen sich die Frauen wieder am 26. Mai 1992, um ein Tanztheater zu erarbeiten, das sich mit der sog. Entdeckung Amerikas vor 500 Jahren, beschäftigt
- am Samstag, 26. Juni 1992 führen sie ihr Stück (ein „Elementetanz“) auf dem Blausteiner Wochenmarkt auf, in dem sie die Ausbeutung und Ausrottung der Ureinwohner Südamerikas anprangern.
3. Kanto de la Tierra – Lied der Erde
- bereits 1982 gab es erste Kontakte von Ingrid und Clemens Stadler zu Reymundo Tigre Perez, dem Initiator und Mitbegründer dieses Zusammenschluss von Häuptlingen, spirituellen Führern, Medizinmännern
und -frauen und Ältesten verschiedener nord- und südamerikanischer Stämme, die für ihre kulturelle Identität und die Verwirklichung der Menschenrechte für die amerikanischen Ureinwohner kämpfen
- am 16. Oktober 1986 findet eine Lesung mit dem Leader und Lyriker Reymundo Tigre Perez im „Regenbogen“ statt
- im Jahr 1990 gründet sich der „Freundeskreis Kanto de la Tierra“, der die Anliegen der Indianer ideell, politisch, organisatorisch und finanziell unterstützt
- zu einem Hauptanliegen wird die Organisation einer Reise von Häuptlingen, Ältesten und Medizinmännern und –frauen nach Europa anlässlich der sog. Entdeckung Amerikas am 12. Oktober 1492, im sog. Kolumbusjahr
- am 30. September 1992 kommt die Delegation nach Deutschland und bleibt bis zum 7. Oktober 1992. Sie wohnt in ihren Zelten in Babenhausen. Das Spanische Königshaus hatte sie empfangen, der Landrat des Alb-Donau-Kreises
und der Blausteiner Bürgermeister tun es auch. Empfang auf der Frankfurter Buchmesse, durch den Münchener Oberbürgermeister, durch Ivo Gönner in Ulm und durch den Vorstand des „Haus Unterm Regenbogen“
- es war der „Anfang einer großen Reise“, nicht nur nach Europa, sondern zu den Problemen und den Herzen der Ältesten und Häuptlinge von „Kanto de la Tierra“,
an der viele Menschen engagiert teilnahmen, u.a. Karola Bloch und der Intendant des Ulmer Theaters Pavel Fieber
- Reymundo Tigre Perez verstirbt viel zu früh, auch an den Spätfolgen der Haft, die er in den USA erleiden musste für seinen Widerstand, seinen Mut, seine Gedicht.
Sein Bild hängt zur Erinnerung an einen Unvergessenen im Vortragsraum des „Haus Unterm Regenbogen“
- Unterstützung bekam der Freundeskreis über lange Zeit durch Karola Bloch, Architektin, Frau von Ernst Bloch und moralisches Gewissen der Bundesrepublik. Im Jahr 1990 wurde sie zum Ehrenmitglied des Vereins ernannt.
4. Tibet-Arbeitskreis und die Kailashbodi
Schule
- die politische Wende und der Fall der Mauer machten es möglich: am 1. Mai 1991 lernten wir Sabine und Karsten König und sie uns beim „Tag der offenen Tür“ kennen. Zwei engagierte Menschen, die viel und verboten gereist waren, die sich im „Neuen
Forum Jena“ in der Wendezeit engagierten und die in den 80er Jahren und im Frühjahr 1990 Tibet bereisten (für die BILD-Zeitung wurde Karsten zum letzten DDR-Bewohner der einen 8000er bestieg!)
- sie brachten Bilder von ihren Reisen nach Tibet mit, aber auch Informationen aus einem unterdrückten Land, über das von den Chinesen das Kriegsrecht verhängt war. Zeugnisse
von den Menschen, der Landschaft und der 40jährigen Unterdrückung des Landes
- gemeinsam mit ihnen entstand eine Fotoausstellung „Tibet – unterdrücktes Land“ als Wanderausstellung, die der Verein verlieh
- Sabine König wurde Vorstandsmitglied und der AK-Tibet gründete sich, in dem sehr engagiert Eva Saalfrank mitarbeitete, deren Kontakte zu der Tübingerin Bärbel Reinschmidt es zu verdanken war, dass wir uns
als Verein für eine Schule für exiltibetische Kinder in Nord-Indien, der Kailashbodi-School, engagierten
- Engagiert fortgesetzt wurde die Arbeit von Eva Saalfrank und Heide Rau, nachdem die Königs in die USA gingen
- Der Tibet-Verein Ulm ging aus dieser Arbeit hervor, führte aber auch zum Bruch, so dass die Arbeit ca. 1997/1998
seitens des Vereins beendet wurde
- Nachtrag: die Kontakte der Königs führten auch zu einer langen tiefen Freundschaft und Partnerschaft zwischen dem Verein und den Mitgliedern des „Neues Forum Jena“ mit jährlichen Besuchen und gemeinsamen Veranstaltungen: hier wuchs zusammen, was (politisch) zusammen gehörte! Die neugeordnete Parteienlandschaft
schluckte das Neue Forum, doch bis heute gibt es Verbindungen und Mitglieder aus Jena zu unserem Verein.
5. Erinnerungsarbeit - Der AK-Landschulheime und Herrlingen als literarischer und historischer
Ort
- als sich der Verein am 1. Mai 1985 erstmals der Öffentlichkeit präsentierte, fand das im „Bäderhaus“
statt. Niemand wußte, auf welch geschichtsträchtigem Boden das ehemalige Bäderhaus der AWO steht und welch einmalige reformpädadogischen Projekte hier zwischen 1926 – 1939 beheimatet waren, aber
auch welch schreckliche Zeit das Gebäude der Erwin-Rommel-Steige 50 als Jüdisches Zwangsaltersheim erlebt hat
- die Hausgemeinschaft der Rommel-Steige 50 stellte dem Verein (kostenlos bis heute!) das „Bäderhaus“
für seine vielfältige Arbeit zur Verfügung und erduldet seit 20 Jahren die Veranstaltungen, Menschen und Feste, die das Privatgelände „heimsuchen“
- den Beginn des „AK-Landschulheime“ kann man auf den 22. Oktober 1986 datieren, obwohl er sich erst im Frühjahr 1987 etablierte. Luzie Schachne hatte ein Buch geschrieben, das
von Hildegard Feidel-Mertz herausgegebn wurde, über die „Erziehung zum geistigen Widerstand – Das jüdische Landschulheim Herrlingen – 1933 – 1939“ und stellte es an diesem Abend in Herrlingen
vor
- mit diesem Buch, diesem Abend beginnt die Geschichte des Vereins als Gedenkstätten- und Erinnerungsarbeit-Verein
und es gründete sich ein AK-Landschulheime, der zu einer Geschichtswerkstatt wurde und zu dem u.a. Heinz Krus, Ingrid Hoheisel, Dietrich Winter, Heide
Wartinger, Anne Visentin, Hansjörg Greimel, Ruth und Michael Fichtner, Dieter Keppler und Amei Hundt gehörten
- es beginnt aber auch die 2. Geschichte Herrlinges: die Wiederentdeckung einer aufregenden, beispielhaften, experimentierfreudigen, stolz-machenden aber auch tragischen und mörderischen Zeit: die
Kinderheime, beide Landschulheime, das Leben und Wirken der Anna Essinger und Hugo Rosenthals, das Jüdische Zwangsaltersheim, die ganze Geschichte der „Rommelvilla“, die Gruppe 47 in Herrlingen u.v.a.m. und
die Erkenntnis, dass es 40 Jahre dauern musste, bis das sog. Drittte Reich, mit dem Generalfeldmarschall Rommel und den Landschulheime, dem Jüdischen Altersheim usw. im Lokalen und im Bewusstsein ankommen konnte als Teil der Lokal- und Heimatgeschichte
- Kontakte zu Ehemaligen (Lehrern und Schülern) wurden aufgenommen, die Geschichte dokumentiert, die Gemeinde eingebunden,
Veranstaltungen organisiert und schließlich Gedenktafeln entworfen, die am 6. November 1988 unter Beteiligung von Ehemaligen, die z.T. erstmals seit
ihrer Emigration wieder Deutschland besuchten und sich ins Gespräch mit Deutschen einließen, enthüllt wurden
- mit Jenny Heymann, Lehrerin im Landschulheim und im Alter von 105 Jahren gestorben, wurde eine zweite Frau zum Ehrenmitglied 1995 ernannt
- der Film „Annas Kinder“ entstand, in dem das Leben und Wirken Anna Essingers dokumentiert wird, eine Biografie
über Hugo Rosenthal wurde veröffentlicht, der Verein dokumentierte wissenschaftliche Arbeiten, Vorträge und persönliche Erinnerungen von Ehemaligen in seiner Reihe „Edition Haus Unterm Regenbogen“
- auf Betreiben von Hansjörg Greimel wurde das ehem. Ulmer Modell, die Schulen am Kuhberg in „Anna-Essinger-Schulen“
benannt
- nachdem sich der Arbeitskreis auflöste, wurde die Erinnerungsarbeit ganz zum Teil der Vereinsarbeit, was sich
auch im heutigen Namen des Vereins widerspiegelt. Wir wurden Mitglied in der Landesarbeitsgemeinschaft der Gedenkstätten in Baden-Württemberg (LAG) und im letzten Jahr konnte eine Stele am Geburtshaus von Anna Essinger
eingeweiht werden
- im neuen Wohngebiet Birkebene IV in Herrlingen werden, auf einstimmigen Beschluß von Ortschaftsrat und Gemeinderat,
2 Straßen nach Anna Essinger und Hugo Rosenthal benannt werden.
- Im Dezember 2012 konnte die Ausstellung des Vereins "Pädagogik - Deportation - Literatur / Herrlingen 1912-1947" im Rathaus eröffnet werden und wurde seit dem in vielen Veranstaltungen im ganzen Raum Ulm und
Umgebung gezeigt.
- Ein wohl einmaliger Versuch ist von der Gemeinde Blaustein und dem Verein gestartet: in einer epochalen Ausstellung,
der „Sammlung Herrlingen“, sollen alle Teile und Aspekte der Herrlinger Geschichte dokumentiert und ausgestellt werden!
- Diese Ausstellung wurde jetzt durch die Stadt Blaustein im November 2019 in der Villa Lindenhof realisiert. "Lebenslinien - Historische Persönlichkeiten in Herrlingen" lautet der Titel.
6. Projektarbeit und Eine-Welt Engagement
7. Aktuelle Situation
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Die Projektpartnerschaft mit La Cuculmeca wurde 2017 beendet, da es keine Kontakte
mehr gab und wir die Arbeit des Vereins ganz auf die Planung, Vorbereitung und Durchführung von Vorträgen und Führungen konzentriert haben.
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Durch die Realisierung der Ausstellung „Lebenslinien“ ist auch die historische Aufarbeitung
an ein (vorläufiges) Ziel gelangt. Jetzt stehen historische Spaziergänge, Führungen und Vorträge zur Herrlinger Geschichte
im Zentrum.

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